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1. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 169

1911 - Erfurt : Keyser
— 169 — Gotha das Rittergut Molsdorf. Der neue Gutsherr, mit dem auch neues Lebeu in den bisher so stillen Ort einzog, ließ, seinen Wünschen entsprechend, den aus dem 16. Jahrhundert stammenden Schloßüau im Geiste des Barock und Rokoko verändern, und heute noch zeigt das Gebäude, nachdem es im vorigen Jahrhundert (1866—1870) geschickt wiederhergestellt wurde, die Bauart jener Zeit, deren echtes Kind Gras Götter selbst war. Schon die Inschriften, die der Bauherr an verschiedenen Stellen des Schlosses anbringen ließ, kennzeichnen den Geist, der damals in den vornehmsten Kreisen herrschte. Die Türme der Nordseite tragen die Worte: „Sit mea sedes sine cura“ (Mein Sitz sei sorgenfrei) und „Sit modus lasso viarum“ (Er sei des Müden Wanderziel). Ueber dem Portal steht unter dem Wappen Gotters das Wort „Hicce terrarum praeter omnes angulus ridet“ (Vor allem gefällt mir dieser Winkel der Erde). Unter den beiden Sonnenuhren an den Seitenflügeln liest man die Worte: „Fugaces labuntur anni“ (Flüchtig entgleiten die Jahre) und „Hora rapit diem“ (Die Stunde raubt den Tag), und unter dem Wappen, das auf dieser Seite die Krönung des Mittelbaues abschließt, steht „Placida quies* (Behagliche Ruhe). Innerer Schmuck: Das Innere des Schlosses zeigt gleich- falls Rokokostil. Betritt man von der Gartenseite den weißen Flur mit seiner reichen Stuckverzierung, so winkt aus der Nische das Becken mit dem Weinhahn, welcher durch einen Schlauch mit dem Keller in Verbindung stand und einen kostbar dustenden Wein spendete, der ankommenden Gästen gereicht wurde. Bei dem Aufstiege nach dem Obergeschoß grüßt aus dem Hintergründe über der Treppe ein liebliches Bild. Es ist ein Freskogemälde (Wandgemälde auf frischem Kalk) und stellt eine geöffnete Glastür dar, vor welcher sich ein reizendes Mädchen, das eine Rübe in der Hand hält, über ein zierliches Geländer beugt. Als der Graf ein- mal von einer langen Reise unerwartet zurückkehrte, sprang ihm jenes junge Mädchen, eine Schweizerin, aus dem Küchengarten mit einer Rübe in der Hand und einem fröhlichen „Grüß Gott, Herr Graf!" entgegen. Diese heitere Begebenheit ließ der Gras im Bilde über der Treppe darstellen. Unter den verschiedenen Räumen ist besonders das Damenzimmer mit seiner prächtigen Decke, der schönsten im Schloß, hervorzuheben. Die Stuck- verzierung zeigt eine stilvolle Vereinigung von gebrochenen Stäben, Blättern und Muschelformen mit Tiergestalten, wie Pfau, Affe, Falter usw., welche die weiblichen Schwächen darstellen sollen. In Silber ausgeführt, wirkt der zarte Entwurf auf schwarzem Grunde vortrefflich. Im Schloßpark: Der stilvollen Ausschmückung des Schlosses entsprach die Anlage des Parkes. Nach Versailler Muster durchschnitten zwei schnurgerade, glattgeschorene, oben zugewölbte Alleen den 38 Morgen großen Schloßgarten und endeten an zier-

2. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 256

1911 - Erfurt : Keyser
— 256 — Wr wenig Geld und viele gute Worte hatten wir uns in den letzten Tagen Blumen zu Kränzen und Sträußen besorgt, der Steiger aber hatte uns unentgeltlich das Eichenlaub dazu liefern müssen. In derselben Stunde, in welcher zur Ausschmückung der Stadt die letzte Girlande angeschlagen wurde, legten auch wir die letzte Hand an unsere Spende für die heimkehrenden Sieger. Da der Einzug erst am Nachmittag stattfand, ging es kurz, vor Mittag uoch einmal im Sturmschritt durch die Hauptstraßen, um zu sehen, ob auch alles in Ordnung sei. Die Ehrenpforte auf dem Anger war wieder aufs herrlichste geschmückt. Der mächtige Bau zeigte unten in der Mitte ein großes Tor und je ein kleine^ res zu beiden Seiten. Oben darauf stand die hohe Gestalt der Siegesgöttin, den Heimkehrenden den Ruhmeskranz darreichend. L>ie war umgeben von Waffen und Siegeszeichen aller Art und umweht von Fahnen und Wimpeln in allen deutschen Landesfarben. Die Außenwände des Siegesbogens waren nach beiden Hauptseiten mit dem Wappen der Stadt Erfurt, dem Zeichen des Eisernen Kreuzes, mit Kränzen und Girlanden, mit Namensschildern der hervorragendsten Schlachten und Belagerungen, sowie mit Inschriften und Denksprüchen in sinniger Weise verziert. Außer dieser großen Ehrenpforte waren noch an verschiedenen anderen Stellen geschmückte Bogen in leichterem Stile errichtet worden, so am oberen Teile des Angers in der Gegend der Weilergasse, am Eingang der Langen Brücke, in der Neuen Straße, Marktstraße usw. An vielen Häusern waren bezügliche Inschriften angebracht. Außerdem war wohl kaum ein einziges Haus in den größeren Straßen, das nicht in mehr oder weniger reicher Weise mit Fahnen, Girlanden und Kränzen geschmückt war. Auch die Büsten des Kaisers, des Kronprinzen, des Prinzen Friedrich Karl, des Fürsten Bismarck und des Grafen von Moltke waren auf Fußgestellen oder in Fensternischen angebracht. Befriedigt kehrten wir von unserer Umschau heim. Die Stadt konnte sich sehen lassen. Nachdem in aller Eile das Mittagsmahl eingenommen war, ging's mit den Kränzen und Sträußen zum Krämpsertor. Wir batten die niedrige Mauer auf der rechten Seite des Brückenkopfes zum Ausguck gewählt; für diesen Zweck ein prächtiger Platz, zu dem wir von der Stadtseite aus leicht durch Ueberklettern des Walles gelangen konnten. Leider ging es dort etwas eng zu; denn auch andere waren bei ibrer Wahl auf diesen günstigen Ort verfallen. Doch die Kränze im Arm und die Sträuße in der Hand wurde wacker im Gedränge ausgehalten. Die Truppen kamen vom Güterbahnhof her, woselbst sie ausgeladen wurden. Eifrig wurde das Pfeifen der Lokomotiven erlauscht, ob ihm nicht ein Begrüßungsmarsch folge. Endlich, es war kurz nach 4 (Uhr, ertönte rauschende Militärmusik vom Schmidt-stedtertor her, und bald kam das Hurrarufen immer näher. Aus der Stadt aber ertönte das Geläut aller Glocken, und vom Pe-

3. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 72

1911 - Erfurt : Keyser
— 72 — Darum mußte etwas geschehen, die landgräfliche Macht zu brechen, o an einen Zug gegen Gotha und den Grimmenstein (heute Schloß Friedenstein), die den stärksten Rückhalt der landgräflichen Macht bildeten, nicht zu denken war, so beschloß man, das Schloß Andisleben, einen anderen Stützpunkt, anzugreifen. Beschreibung der Burg: Die Burgen jener Zeit waren entweder Berg- oder Wasserburgen. Andisleben war eine Wasserburg. er Landgras wohnte oft dort, und sie entsprach darum den besonderen Anforderungen, die man an eine gut eingerichtete, geräumige Hofburg zu jener Zeit stellte. Kam man aus dem Dorfe und schritt über den Ringelgraben, der damals wasserreicher war als heute, dann stand man bald vor einer hölzernen Brücke, die über einen Teil des breiten Burggrabens hinweg nach dem Torturm führte. Etwa fünf Meter vor dem Tore war die Brücke zu Ende, und den Rest füllte die Zugbrücke aus. Die äußere Mauer war stark, mit Türmen bewehrt und mit Wehrgängen versehen. Hatte man die Zugbrücke hinter sich, so kam man in einen Hofraum und den Zwinger; hier war mancherlei Gerät eingelagert und hier waren auch die Viehställe, von denen man für den äußern Hof den Namen Viehhos ableitete. Zwischen dieser äußeren Mauer und dem starken Mauerwerk der eigentlichen Burg, die hoch und massig aufstieg und mit dem ragenden Bergsrit weit ins Land hinaussah, befand sich abermals ein tiefer Graben, der durch vergitterte Wafserpsorten aus dem Zufluß des äußeren Grabens gespeist wurde. Ueber diesen inneren Graben hinweg führte even-falls eine Zugbrücke nach dem inneren Tor. Die innere Mauer war mit Zinnen versehen, hinter denen sich wiederum ein Wehr-gang an der Mauer entlang zog. Hatte man die zweite Zugbrücke überschritten, so kam man in eine Torhalle, die nicht nur durch ein starkes Fallgatter, sondern auch durch sogenannte Pechnasen bewehrt war — Oeffnuugen, durch die aus den oberen Räumen Pech, siedendes Oel und was eben sonst zur Hand war, auf die durch das Fallgatter aufgehaltenen Feinde gegossen werden konnte. Von hier kam man endlich in den inneren Burghof, der von dem stattlichen Palas — dem Herrenbau —, dem frei an der Mauer stehenden Bergsrit, der Kapelle, der Rüstkammer und anderen Nebengebäuden umgeben war. Die Burg war also an sich schon sehr stark, und eine kluge Ausnutzung der Wasserläufe sorgte noch für vermehrten Schutz. Ueberdies konnte durch Stauwerke das ganze, von den Gräben umspannte Gebiet unter Wasser gesetzt werden, wodurch dann die Burg für die Hilfsmittel der damaligen Zeit einfach uneinnehmbar wurde. Auszug der Erfurter: Gegen diese Feste zogen die Erfur- ter und waren gutes Muts und voll Hoffnung, daß sie damit fertig werden und der Waid im Frühjahr auf den Trümmern blühen würde.

4. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 81

1911 - Erfurt : Keyser
— 81 — brücke, die jetzt wieder hergestellt ist. Im Innern des Burghofs erhob sich der runde Bergsrit, das wichtigste Gebäude der Burg zur Zeit einer Belagerung. Von ihm konnte der Wächter weithin die Gegend übersehen und die Annäherung stärkerer Heer-hanfen schnell durch Hornruf verkünden. Da aber die Burg auch der ritterlichen Familie, der Dienerschaft und der Besatzung Wohnung bieten mußte, so waren auf dem Burghof noch andere Gebäude vorhanden. Ein Bild von der Mühlburg aus dem Jahre 1528 zeigt uns den Burghof eingeengt von vielen Häusern aus Fachwerk und Stein, darunter Pferdeställe, Schüttböden, Kammern für Harnische, für das Gesinde, die Knechte und die Reisigen, die alle in der großen Eßlaube gespeist wurden. In einer Küche hantierten die Mägde, und in den großen Kellern lag ein reicher Vorrat an Bier und Wein. Auch eine Kapelle, deren Reste heute noch zu erkennen sind, war vorhanden, damit das Seelenheil der Bewohner nicht leide. Ein uralter, tiefer Brunnen, Meinhardsbrunnen genannt, lieferte hinreichend Wasser für die Menschen und das zahlreiche Vieh; denn außer vielen Pferden waren auch Hunde, Schweine und andere Haustiere in größerer Zahl vorhanden. Aus ihm das Wasser heraufzuwinden, war ein beschwerliches Stück Arbeit und geschah sicher mit einem Tretrad, wie ein solches noch tagtäglich von dem Kastellan der nahen Wachsenburg zu dem gleichen Zwecke in Bewegung gesetzt werden muß. — Wenn nun manche Gebäude, die das alte Bild zeigt, auch erst unter der Erfurter Herrschaft entstanden, mindestens aber erst in dieser Zeit ausgebaut worden sind, so hat die Mühlburg doch schon früher alle die für eine Burg notwendigen Gebäulichkeiten gehabt; hierzu zählen der Palas, die Kemenate, das Rüst- und Schnitzhaus und das Wohnhaus für das Gesinde. Der Palas oder das Herrenhaus der Mühlburg lag unmittelbar neben dem Bergfrit aus seiner Ostseite und war mit ihm durch einen Gang, der in der Zeit der Gesahr leicht zerstört werden konnte, verbunden. In der höchsten Not war dann der Bergfrit, der überhaupt nur kriegerischen Zwecken diente, die letzte Rettung für die Bewohner der Bnrg. Dem Palas gegenüber, nahe der Westmaner, lag die Kemenate oder das Franenhans mit den Wobn- und Scklas-ränmen für die Familie des Ritters. Gewöhnlich enthielt das Frauenhaus nur drei durch Kamine heizbare Gemächer (daher auch der Name Kemenate = mit Kamin versehenes Gemach): das Zimmer der Burgfrau, das Mägdezimmer und das Zimmer, in dem unter Aufsicht der Herrin die Mägde Flachs und Wolle spannen und webten und die Gewänder fertigen mußten. Dieser Raum hieß auch Psieselgadeu, d. i. Arbeitsraum der Frauen und Mägde. Im Palas, dem Versammlungsort der Männer, dagegen spielte sich das sonstige gesellige Leben auf der Burg ab. In feinem Saal, der an die Halle des thüringischen Edelhoses erinnerte und oft der einzige Raum des Herrenhauses war, wurde das Mittags- 6

5. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 167

1911 - Erfurt : Keyser
— 167 - Witm nluuroeii 1)01. erfüll, aus dem Friedhoie des Dorfts ' «vtimmcr Reucic jener denkwürdigen Zeit ein ^Ärfn «. «7 v°r ,ür°em enwct.e Inschrift i»««, bnft Met eine Isjährige Salzburgerin begraben lieg«, welch!! durch äle^^^efld«. ©i^ew r Arärffä a. für bat sie au, der Wanderschaft ist, trägt sie ein Rersebundel Ln' dem Rücken Die Käufer links neben ihr stellen die Salzbur- zum Denkmal sei gestellt, daß viel ^alzburger ^ogen typt Im haben Gottes 28ort. • . Empfang in Berlin: In Berlin erfuhren dre Salzburger den herzlichsten Empfang. Die königliche Familie, die feit und die Bürgerschast empsingen den ersten größeren 3^6 feierlicher und gastlicher Weise. Unter den Linden waren ^cüu lancier Tische aufgestellt, an welchen die Einwanderer geipeii wurden. Der König und die Königin gingen dazwischen nmber und sprachen freundlich mit den Leuten. .. Ansiedlung. Den ersten Zügen solgten immer häufiger neue nach. Man hatte mit einer Einwanderung von 2000 Salzburgern gerechnet, es kamen im ganzen aber an 20 000. ^tc wo"ten sich nicht zerstreuen und siedelten sich darum m großer Menge m Preußen und Litauen nebeneinander an. Jeder blieb, was er ge^-wesen, Knecht im Dienste der Herrschaft, Tagelöhner, selbständiger Handwerker oder Bauer. . Der König begnügte sich aber nicht mit der Unterbringung der Salzburger. Er ruhte nicht eher, als bis ste vom Erzbischof den Erlös für ihre verkauften Güter zurückerhalten hatten. ~ » waren nach unserem Gelde etwa 7 Millionen Mark, zu welchen er noch 800 000 Mark Jahresgeld hergab. Im ganzen kostete iy die Ansiedluug 18 Millionen Mark. (Nach versch. Chroniken n. Berichten.) 57. Bei 0raf Sotfer in Itlolsdorf. Ein Bild aus der Rokokozeit.1) Allgemeiner Zustand: „Maßlose Prunkliebe der Großen und grenzenlose Genußsucht ihrer Höfe, wahnwitzige Verachtung i) Rokoko = Stil Ludwigs Xv.; rocaille, frz. —Muschel- u. Grottenwerk; Barock ^ Jesuitenstil; barocco, portug. = schiefrunde, ungleich und ) eit) am geformte Perle.

6. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 258

1911 - Erfurt : Keyser
— 258 — Blumenthal und den Kriegsminister von Roon. Hervorgehoben und gekrönt werden die Ecken des Unterbaues von in Stein gearbeiteten, altertümlichen Rüstungen mit Helmen, deren reiche Federzierden breit auf Panzer und Gewaffen niederwallen. Auf den Mittelfeldern des Unterbaues sind die Inschriften zu lesen, deren eine schon am Anfang erwähnt worden ist. Die eigentlichen Widmungsworte stehen an der Nordseile und lauten: „Den gefallenen Offizieren und Mannschaften aus dem Bezirk der 15. Infanterie-brigade zum ehrenden Gedächtnis." Auf der Westseite liest man weiter: „1866. Podol, Münchengrätz, Königgrätz, Preßburg, Langensalza." Königgratz und Langensalza sind gar blutige Namen in Deutschlands Geschichte. Dort haben, wie so oft vor Zeilen, deutsche Brüder miteinander gekämpft. Gebe ein gütiges Geschick, daß das damals zum letztenmale geschehen sei, und daß Deutschlands Einigkeit, die mit Strömen deutschen Blutes auf den Schlachtgefilden Frankreichs erkämpft worden ist, nie mehr ins Wanken geraten oder gar in Trümmer gehen möge! Darum müssen wir vor allem die Inschrift der Ostseite beachten: „1870—71. Beaumont, Sedan, Paris, Epinay, Pfalzburg." Glanzvolle Namen, welche uns laut und dröhnend zurufen, jener ruhmvollen Tage für und für zu gedenken, da die geeinten deutschen Völker gegen den gemeinsamen Erbfeind mit altem Löwenmute und stürmischer Tapferkeit kämpften, und wo mitten im lobenden Kampfe das deutsche Kaiserreich wieder aufgerichtet wurde! Umgebung: Um die vier Kanonenrohre, welche man beim Kriegerdenkmal aufgestellt hat, blühen die Blumen jeden Frühling und Sommer aufs neue in lieblicher Farbenpracht; die Vög-lein in den Gezweigen der Bäume und Sträucher singen und zwitschern in lebensfrohen Weisen; sie singen wohl auch ein seines Lied zum Ruhme der braven deutschen Streiter, denen man die Denksäule im grünen Hirschgarten gewidmet hat. K. Lürtzing. 99. Das Kalferdenkmal. Wie so viele Städte des ersten Kaisers im jungen Deutschen Reiche gedacht haben, so hat auch unsere Vaterstadt dem weisen und gütigen Herrscher inmitten duftiger, bunter Blumenpracht, wie es sich für eine Blumenstadt gebührt, aus Erz und Granit-stein ein einfaches, doch würdiges Denkmal errichtet, das in seiner Schlichtheit zu dem anspruchslosen Wesen unseres frommen Heldenkaisers paßt. In schmuckloser Uniform, den Degen zur Linken, die rechte Hand auf den Schenkel gestützt, sitzt der Herrscher auf dem gemächlich ausschreitenden Rosse. Das Haupt ist etwas nach rechts gerichtet; gütig und milde blickt es dem Beschauer, der aus dem Stadtinnern kommt, entgegen. An dem mit Rundbogen und kurzstämmigen Säulen gezierten Unterbau aus rotem Granit ist we-

7. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 66

1911 - Erfurt : Keyser
-66- einen Gang, d. H. wohl dnrch einen Wall mit Graben, verbunden. Der erste dieser Schutztürme, das Pförtchen, steht noch in der Erinnerung vieler Erfurter, der andere aber ist auch ihnen unbekannt. Er war ein besonders starkes und eigenartiges Gebäude. Drei Stockwerke hoch und mit 3 m starken Mauern trug er an den Ecken je einen Erker für 6 bis 8 Schützen, welche von hier oben aus den Eyriaksberg übersehen und beschießen konnten. — Nach Beseitigung der Hussiteugesahr wurden die Gräben vom Andreastor aus bis zu den Kartäusern vertieft, die Wälle erhöht und nach der Grabenfeite zu aufgemauert. Außerdem wurde ein neuer Wall und Graben bis zur Kartäusermühle, wo er auf die alte Gangverbindung zwischen den beiden Schutztürmen stieß, angelegt, weil die Geistlichkeit stark zu der neuen Umwallung beigesteuert hatte. Nach und nach entstanden aus dem Wall zwischen Moritztor und Kartäuferkloster 14 drei Stockwerke hohe und mit spitzen Dächern versehene Türme, die nach der Stadtseite offen waren und einer größeren Zahl Verteidiger genügend Raum boten. Einer der Türme war rund und hieß der „känlichte", später der „Krätzturm". Er stand an dem Stege links vom Moritztor (heute Schlüterstraße) und diente seit dem 17. Jahrhundert mit dem Nachbarturm als Zuchthaus. Die Front von der Kartause bis zum Brühlertor blieb ohne Türme, da hier das Wasser zur Verteidigung herangezogen werden konnte. Durch Stauvorrichtun gen verschiedener Art ließen sich Hirschbrühl und Brühl und das vor ihnen liegende Gelände in einen See verwandeln, wodurch eine Annäherung von dieser Seite unmöglich wurde. Ebenso konnte der Wallgraben bis ans Moritztor bewässert werden. Hinter dem Petersberg beschränkte man sich daraus, den Graben zu vertiefen und den Wall an der Außenseite auszumauern. Auch wurde die alte Stadtmauer vom Neuwerkskloster nach dem Mainzer Hof tn guten Zustand versetzt und der Zwinger samt dem Graben davor ans allen Seiten der Innenstadt verbreitert (später Wilde Gera, jetzt Ringstraße genannt). Durch den späteren Bau der Eyriaks- burg (1480—1536) und der Zitadelle Petersberg (begonnen am 1. Juni 1665) erhielt die erweiterte Befestigung ihren Abschluß. Sie blieb in ihrem Grundriß bis zur Entfestigung Erfurts (1874) bestehen, nur daß — je nach dem Stand der Belagerungskunst — an den Werken gebaut und gebessert wurde. Waffen für Angriff und Verteidigung: Um diese Zeit (Mitte des 14. Jahrhdts.) kamen die Feuerwaffen in Gebrauch. Bis dahin hatte man sich großer und kleiner Armbrüste und besonderer Steinschleudermaschinen, sogenannter Blyden, bedient. Sie wurden in einer Werkstatt gefertigt, die in der Blydengasse, der heutigen Glockengasse, stand. Eine jener großen Armbrüste ist noch im Altertumsmuseum zu sehen. Die erste große Büchse soll schon 1362 in Erfurt in Tätigkeit getreten fein; zwei weitere wurden 1377 gegossen, und feit 1394, seit den Händeln mit dem Mark-

8. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 80

1911 - Erfurt : Keyser
— 80 — Geldnot befand, die Mühlburg, auf der nun weit über 200 Jahre Erfurter Amtleute saßen und mit einer Anzahl Reisigen für die Sicherheit der Straßen sorgten. Da sich Erzbischof Gerlach aber das Aviederkaufsrecht vorbehalten hatte, forderte 1592 einer seiner Nachfolger, Erzbischof Wolfgang, die Burg zurück und überließ sie dem Herzog Wilhelm von Sachsen, der sie ohne weiteres den Erfurtern abnahm. Lage und Einrichtung: Tie Mühlburg ist eine der ältesten Burgen Thüringens. Sie wird urkundlich schon im Jahre 704, als dem Bischof Willibrord von Utrecht gehörig, erwähnt. Dieser hatte sie mit anderen Orten von einem Thüringer Herzog Heden geschenkt erhalten. Heute ist sie nur noch ein Trümmerhaufen, aus dem der etwa 25 Meter hohe Bergfrit als der letzte Zeuge einstiger Pracht hervorragt. Gegen Ende des Mittelalters war sie, wie aus alten Beschreibungen hervorgeht, von bedeutendem Umfange und sehr stark befestigt. Sie erhebt sich auf dem westlichen Ende der Schloßleite, eines langen, licht bewaldeten Höhenzuges, der von der Wachsenburg herüberführt. Am Fuße des hier ziemlich steilen Bergzuges liegt der Marktflecken Mühlberg, der vor Jahrhunderten selbst mit einer Ringmauer und einem Graben befestigt war, wie vorhandene Reste beweisen. Einige altertümliche Gebäude, teils vom ehemaligen Mainzer Hofgut, teils von kleineren Lehengüter herstammend, zeugen ebenfalls noch von der Stärke und Bedeutung des Ortes in früherer Zeit. Am Fuße des Burgberges steht auch noch eine Linde, umgeben von einer Steinbank. Hier hielten in früheren Zeiten der Erfurter und dann der Mainzer Vogt Gericht über geringe und schwere Vergehen, wobei die bäuerlichen Schöffen das Urteil fanden. Hier läßt auch Gustav Freytag in feinem Nest der Zaunkönige" das Gericht des Königs Heinrich tagen. „Dort wurde innerhalb gezimmerter Schranken dem König der Richterstuhl erhöht und Sitze für die Großen des Reiches, welche in feinem Gefolge ritten. Die Diener breiteten Teppiche und Polster auf das Holzwerk, das Banner des Königs ward aufgestellt, der Rufer trat an den Eingang des Geheges und die Leibwächter schritten mit ihren Spießen in die Runde, das versammelte Volk abzuwehren. Nachdem dann der Ruser Stille geboten und des Königs Gericht nach den vier Winden ausgerufen hatte, setzte sich der König auf den Richterstuhl und ergriff den weißen Stab, an welchem das goldene Königszeichen einer Lilie ähnlich glänzte." Die Burg selbst war von einer doppelten Ringmauer mit Zwinger umgeben, wodurch ein Eindringen von den steilen Abhängen des Burgberges her unmöglich gemacht wurde. Gegen einen Angriff von der Schloßleite schützte der tiefe Graben und die Torbefestigung, ein starker, viereckiger Turm, von dem keine Reste mehr vorhanden find. Ueber den Graben führte eine Bogen-

9. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 9

1911 - Erfurt : Keyser
— 9 — weil man zu diesem Zeitpunkt das Ende der Steinzeit ansetzt. (Nach Dr. K. Th. Zingeler u. Dr. Zschiesche.) 2. 3n der Bronzezeit. Die neuen Bewohner: Mehr als sechshundert Jahre sind verflossen seit der Zeit, wo jene von uns besuchte Familie der Steinzeit am hohen Flußufer der Gera ihr einfaches, aber wohl glückliches Dasein sührte. Noch ist unsere Gegend bewohnt, wie wir durch Funde beweisen können; aber die Bevölkerung hat an Zahl eingebüßt. Die Lebensweise der neuen Bewohner ist keine wesentlich andere als die der Steinzeitmenschen; nur in einer Hinsicht sind sie gegen die früheren im Vorteil. Die Metallzeit ist angebrochen. Die Bronze, ein Gemisch von Kupser und Zinn, hat den Stein verdrängt, und an die Stelle der früheren steinernen Waffen und Gerate find schön geformte Schwerter, Dolche, Lanzen, Armringe. Gewandnadeln (Fibeln) und sonstiger Schmuck aus Bronze getreten. Lage ihrer Wohnstätten: Die genaue Lage der Wohnstätten jener alten Ansiedler vermögen wir für unsere Gegend nicht sicher anzugeben. Vermutlich aber haben sie ebenso wie die stein- zeitlichen unweit des Wassers gelegen. Dort hat man die Grabstätten aus der Bronzezeit gefunden, und wo die Menschen damals ihre Toten verbrannten oder begruben, da haben sie sicher auch ihre Wohnungen gehabt. Eine Hauptfundstelle ist das Gräberfeld am „toten Mann" bei Waltersleben. Einige Gräber sind auch dicht bei Erfurt am Wege nach Bindersleben bei der Abzweigung von der verlängerten Heinrichstraße, in den Kiesgruben des Johannesseldes, in der Nähe des Bahnhofes von Ilversgehofen und an einigen anderen Stellen in Erfurts Umgebung aufgedeckt worden. Auf dem zuerst genannten Friedhofe (Nekropole) aus der Bronzezeit wurden mit nur einer Ausnahme Skelette gefunden, während die Graburnen auf den übrigen Fundstätten mit Leichenbrand gefüllt waren. Das Gräberfeld am „toten Mann": Suchen wir nun einmal die Nekropole am „toten Mann" aus und wohnen im Geiste der Beisetzung eines angesehenen Mannes jener Zeit bei. Das Gräberfeld liegt da, wo der von Egstedt kommende Miesenbach dicht hinter Waltersleben die nach Möbisburg führende Straße begleitet. Damals zog sich wobl das Wallersleber Holz bis zum Wasser herab, während auf der Südseite offenes Feld weithin sich ausbreitete. Hier lagen vielleicht die Gehöfte der Bewohner jener Gegend, und es ist nicht unmöglich, daß der Edelhof des Mannes, an dessen Beisetzung wir jetzt teilnehmen wollen, auf dem heute noch „Burgfeld" genannten Ackerplan, wenig westlich von Rockhausen, stand.

10. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 23

1911 - Erfurt : Keyser
— 23 — daß die Sachsen nach dem Siege bei Burgscheidungen ein ihm gewidmetes und nach Sonnenaufgang schauendes Siegeszeichen in Altthüringen errichteten. Ziu war der zistag — diestag, unser Dienstag, heilig. Seinen wichtigsten Vertreter erhielt er bei der Einführung des Christentums im Erzengel Michael. Die Zinhei-ligtümer wurden zu Michaeliskirchen und Michaelisbergen. Unsere Michaeliskirche aber ist nicht an einer solchen alten Opserstätte erbaut; sie trägt ihren Namen nur Skt. Michael zu Ehren, der als Stellvertreter des Kriegsgottes zum Schutzherrn Deutschlands wurde. Frau Holle: In hohem Ansehen stand bei unsern Vorsahren Frau Holle, die Führerin der den Verstorbenen entwichenen Seelen. Wegen dieser ihrer Tätigkeit hat man sie oft zur Gemahlin Wodans, des Totenführers (Walsadir — Totenvater), erhoben und mit Frija vertauscht. Die ausgehauchten Seelen, die sich im Flüstern der Blätter, im Rieseln des Wassers, im Sausen des Windes ver-nehmen ließen, konnten sich verwandeln und, wenn sie Anlaß zur Klage hatten, die Hinterbliebenen mit allerlei Spuk heimsuchen. Das Seeleutreiben fand in der Zwölstenzeit, die am 6. Januar zu Ende geht, statt. Noch heute glaubt mancher Ersnrter, daß ein Traum in diesen Nächten in dein bezüglichen Monat des solgenden Jahres in Erfüllung geht, und unterläßt nicht, in der Neujahrs-neicht Blei zu gießen, unl sich das Schicksal zu künden. Zu den Aufgaben der Göttin Holda gehörte es, sich um den Fleiß der Spinnerinnen zu kümmern. Die Flachsknoten der fleißigsten verwandelte sie in eitel Gold. In der Erfurter Sage lohnt sie die nie erlahmende Tätigkeit einer armen Wäscherin. Die Frau kehrte spät abends von der Arbeit heim und fand am Sockel der Andreaskirche eine Menge Maikäfer. Sie nahm eine Hand voll davon ihren Kindern zum Spielen mit und verwahrte sie zuhause in einem Topfe. Als sie jedoch am andern Morgen nachsah, waren sie in Gold verwandelt. — Bei Einführung des Christentums hat Frau Holle es sich gefallen lassen müssen, Anführerin der Hexen zu werden (Here = Zusammenziehung aus hagedisse — Hag- oder Buschwesen). Auf Besen oder sonstigem Gerät sitzend, ritt sie mit ihnen in der Walpurgisnacht um den Blocksberg. In dieser Nacht wurde früher nach uraltem Gebrauch in Erfurt von den Bürgersoldaten getrommelt, um ein Niederlassen des flüchtigen Hexenvolkes zu verhindern. Aus gleichem Grunde wurden auch die Haustüren mit drei Kreuzen bezeichnet. — In Thüringen war das Innere des Hörfelberges der Wohnort der mächtigen Holde, die, wenn sie die böse Seite ihres Wesens herauskehrte, eine Unholde sein konnte. Die Kirche des frühen Mittelalters hat sie bitter bekämpft. Sie bildete aus ihr eine Tenselin und wandelte das Berginnere zur Fegefeuerstätte um. Man wollte aus dem Hörselberge das Wimmern der gepeinigten Seelen vernehmen, daher fein Name Hör-Seelen-Berg. Das spätere Mittelalter war poetischer gesinnt.
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